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Der Sportjugend Niedersachsen

- Beauftragte Claus: „Verantwortung darf beim Thema Kindesmissbrauch nicht wegdelegiert werden!“

Die neue Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, hat heute einige ihrer zentralen Themen für die Jahre 2022/23 vorgestellt. Kerstin Claus wurde am 30. März mit Beschluss der Bundesregierung zur neuen Beauftragten berufen und hat das Amt am 1. April 2022 angetreten.

Claus: „Meine Botschaft ist klar: Ich kämpfe dafür, sichtbar zu machen, dass sexueller Missbrauch jede und jeden angeht. Wir alle gemeinsam tragen eine persönliche, gesellschaftliche oder politische Verantwortung, die wir nicht weg delegieren dürfen. Es ist mein Ziel, dieses Bewusstsein gesamtgesellschaftlich zu stärken, damit Kinder und Jugendliche künftig effektiver vor sexualisierter Gewalt geschützt und Taten schneller aufgedeckt werden. Sexualisierte Gewalt geschieht nicht spontan oder aus Versehen. Sie findet auch nicht irgendwo, sondern mitten unter uns statt. Wir alle müssen lernen, für möglich zu halten, dass sie in unserem ganz persönlichen Umfeld stattfindet, dass wir alle mit großer Wahrscheinlichkeit betroffene Kinder und wahrscheinlich auch Täter und Täterinnen kennen. Nur wer das begreift, wird Missbrauch wahrnehmen, sich zuständig fühlen und bereit sein zu handeln.“

Ausbau von Netzwerken vor Ort und Unterstützung von Landesbetroffenenräten

„Fälle wie jene in Staufen und Lügde, die nur stellvertretend für so viele stehen, haben uns in den vergangenen Jahren sehr deutlich vor Augen geführt, was es heißt, wenn zu spät interveniert wird, weil Strukturen im Kinderschutz sich nicht effektiv vernetzen und Hinweisen nicht konsequent nachgegangen wird“, so Claus. Eine solche Verantwortungsdelegation verhindert frühzeitige Aufdeckung und führt dazu, dass Kinder weiter Taten ausgeliefert bleiben. „Rund 14 Millionen Kinder und Jugendliche leben in Deutschland. Wenn wir sie ausreichend schützen wollen, müssen die Strukturen um das Kind herum funktionieren.

Deshalb brauchen wir starke Netzwerke, Schutzkonzepte vor Ort und verlässliche Hilfen, die Betroffenen über die gesamte Lebensspanne niedrigschwellig zur Verfügung stehen. Hierfür müssen wir diejenigen stärken, die sich vor Ort gegen sexuelle Gewalt engagieren: die Beratungsstellen, die Kinder- und Jugendhilfe, die Ermittlungsbehörden und auch Ausbildungseinrichtungen, zum Beispiel für soziale und pädagogische Fachkräfte – dies sind alles Strukturen, die in Länderverantwortung liegen und dort ressortübergreifend weiter ausgebaut werden sollten.“ Claus wolle bereits in diesem Jahr verstärkt den Dialog vor Ort mit den Ländern, Kommunen und Gemeinden suchen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist ihr die strukturierte politische Anbindung von Betroffenenexpertise auf Länderebene, analog zum Betroffenenrat beim UBSKM-Amt: Es brauche den konsequenten Austausch von Politik mit Betroffenen. Über Landesbetroffenenräte wird ihre spezifische Fachlichkeit und ihr Erfahrungswissen nutzbar. Betroffene wissen, was geholfen hätte, die Taten zu verhindern oder wenigstens die Folgen bestmöglich zu minimieren.

Kompetenzzentrum Forschung für Deutschland - damit regelmäßig erhobene Zahlen evidenzbasierte und nachhaltige politische Entscheidungen ermöglichen

Dass wir trotz allen Engagements der vergangenen Jahre vielfältig noch am Anfang stehen, etwa wenn es um die verpflichtende Verankerung von Schutzkonzepten in Schulen, in Vereinen, in allen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit geht, ergibt sich für Claus auch daraus, dass es noch immer keine wirklich aussagekräftigen und validen Daten gebe: „Es ist ein Skandal, dass wir selbst im Jahr 2022 noch immer keine verlässlichen Zahlen zum Ausmaß von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche haben. Und das obwohl wir wissen, dass die in den verschiedenen Systemen erfassten Fälle, das Hellfeld, nur ein Bruchteil der tatsächlichen Zahlen darstellt.“ Claus: „Das Thema Prävalenzdaten werden wir jetzt zügig angehen. Wir müssen Zahlen dauerhaft und regelmäßig erheben. Nur so können wir erkennen, ob Politik greift, sich die Zahl der Taten reduziert, Taten schneller aufgedeckt und Kinder besser geschützt werden.“ Hier beruft sich Claus auf gleichlautende Verständigungen des ‚Nationalen Rates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen‘, die dieser im Sommer 2021 vorgelegt hatte. Claus stellt klar, dass es gerade nicht um eine einmalige Stichprobe gehen dürfe, sondern um die Darstellung von Entwicklungen in Form eines regelmäßigen Lagebildes. Ein nationales Kompetenzzentrum Forschung sollte dieses systematisch und fortlaufend erheben. „Dies ist mir ein zentrales Anliegen. Fachlich besteht hier breite Einigkeit. Jetzt braucht es konkret Zusagen aus der Politik, um zügig in die Umsetzung zu kommen.“

Gesetzliche Verankerung des UBSKM-Amtes sollte jetzt schnell umgesetzt und ein Recht auf Aufarbeitung für Betroffene mitgedacht werden

Claus begrüßte die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zur gesetzlichen Verankerung des UBSKM-Amtes. „Es ist wesentlich, das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche endlich auch verbindlich im Parlament zu verankern.

Über eine gesetzlich geregelte Berichtsplicht gegenüber dem Parlament zum Stand der Prävention, Intervention und Aufarbeitung werde es möglich, positive Entwicklungen auf Bundes- aber auch Landesebene zu benennen und auf Verbesserungen hinzuwirken. Zudem halte der Koalitionsvertrag explizit fest, dass die Regierung künftig Aufarbeitung aktiv begleiten und befördern und wenn erforderlich hierfür gesetzliche Grundlagen schaffen wird. „Es ist von besonderer Bedeutung, dass endlich auch der Staat bereit ist, hier mehr Verantwortung zu übernehmen. Dort, wo Kinder und Jugendliche nicht vor sexualisierter Gewalt geschützt wurden, kann Aufarbeitung wenigstens heute Taten sichtbar machen. Deswegen sollte ein Recht für Betroffene auf Aufarbeitung im Gesetzgebungsprozess mitgedacht werden.“

Start der Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne im Herbst 2022 – damit alle verstehen, was das Thema Missbrauch mit ihnen zu tun hat und handeln können

Die Unabhängige Beauftragte kündigt den Start für die gemeinsame Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne mit dem Bundesfamilienministerium für diesen Herbst an. Claus: „Wir brauchen eine solche Kampagne, die insbesondere uns Erwachsene adressiert: Täterstrategien sind hochmanipulativ und sie beziehen immer auch das soziale Umfeld ein. Das müssen wir verstehen, wenn wir Kinder künftig besser schützen, ihnen Hilfe ermöglichen wollen. Hierfür müssen wir nicht alle Expert:innen werden, aber wir alle sollten über Täterstrategien Bescheid wissen. Erst wenn wir begreifen, dass sexueller Missbrauch jederzeit auch in unserem direkten Umfeld stattfinden kann, werden wir anfangen, genauer hinzusehen und auch aktiv zu werden.“ Einen solchen Bewusstseinswandel erreiche man nicht mit ein paar Plakaten. Deswegen habe man die Kampagne von Beginn an auf mehrere Jahre angelegt. Trotz früherer Zusagen fehle es aktuell aber an Finanzierungszusagen über 2022 hinaus.  

Claus: „Sexueller Missbrauch ist immer noch ein Tabuthema. Noch immer wird die ganz konkrete Bedrohung von so vielen Kindern und Jugendlichen verdrängt und weggeschoben. Die Kampagne will genau diese Haltung des Verdrängens durchbrechen: Damit dies gelingen kann, müssen wir dieses Thema immer wieder neu zu den Menschen bringen. Lösungen aufzeigen und Netzwerke vor Ort stärken. Eine auf mehrere Jahre angelegte Kampagne ist auf diesem Weg ein wesentlicher Baustein.“

Pressemitteilung 17. Mai 2022,

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