Die Rollstuhlsportgemeinschaft Langenhagen (RSG) hat mit diesem Angebot dafür gesorgt, dass junge Rollstuhlfahrer mehr Selbstvertrauen bekommen.
Apropos Vertrauen: Am Anfang steht eine Videobotschaft. Nils Thate, der den Workshop führt und Leiter der Organisation Für Effektive Selbstverteidigung (OFES) ist, begibt sich mit den Teilnehmern zunächst in eine benachbarte Sporthalle des Langenhagener Schulzentrums, Eltern müssen draußen bleiben. Die Kinder und Jugendlichen sollen in etwa 15 Sekunden sagen, warum sie hier sind und was sie sich von dem Kurs versprechen. „Viele sind da noch recht unsicher. Zum Abschluss mache ich mit allen erneut ein Kurzinterview – und dann sieht man erst, wie das Selbstvertrauen nach dem vierstündigen Workshop gewachsen ist“, sagt Thate.
Und dann folgt, zurück in der anderen Sporthalle und wieder unter Beobachtung der Eltern, zugleich die erste Übung. Thate simuliert einen Angriff mit seiner Hand in den Kopf- und Halsbereich der Rollstuhlfahrer. „Wenn ihr euch mit Kraft verteidigen wollt, habt ihr keine Chance. Ihr müsst es mit Technik bewerkstelligen“, sagt der Coach und spricht von „Umleitung der Kraft“. So soll es aussehen: Beim Angriff eines Gegenübers wird dessen Hand mit der eigenen Hand quasi zur Seite gewischt und am eigenen Kopf vorbei geführt. Klappt schon ganz gut, aber das ist noch nicht alles. Mit der anderen Hand muss der sich Verteidigende das Rad festhalten. „Denn wir müssen verhindern, dass wir mit dem Rollstuhl bei einem Angriff nach hinten rollen. Ebenso darf es nie passieren, dass der Angreifer hinter euch ist. Sonst habt ihr verloren“, sagt Thate.
Aber er will die Teilnehmer nicht verängstigen, im Gegenteil. „Was ihr hier lernt, ist keine Zauberei. Habt auch den Mut, selbst anzugreifen – wenn euch beispielsweise niemand mehr helfen kann oder ihr nicht fliehen könnt.“ Wie das gehen soll, ist Teil einer weiteren Übung. Thate bindet sich kleine Schlagpolster, sogenannte Pratzen, an den Unterarm. Die Kinder und Jugendlichen dürfen, nachdem sie seine Angriffssimulation abgewehrt und umgeleitet haben, in die Pratzen boxen. Dabei darf es dann auch mal lustig zugehen. Der kleine Ole schlägt mit voller Wucht in die Pratze, zeigt sogar eine klassische Rechts-Links-Kombination. Thate guckt ihn verdutzt hat. „Sage mal, was hast du denn gefrühstückt?“ Die anderen Teilnehmer lachen, das lockert die Stimmung.
Der OFES-Leiter weiß eben mit den Kindern und Jugendlichen umzugehen. „Ich habe vor 25 Jahren in Sulingen Erfahrungen gesammelt in einer Behindertenwerkstatt und gemerkt, dass mir das Spaß macht.“ Seit einigen Jahren bietet er zahlreiche Selbstverteidigungskurse für Rollstuhlfahrer an, in Langenhagen ist er mit diesem Kurs einmal pro Jahr zu Gast. Beim aktuellen Workshop haben die Teilnehmer - die Hälfte kommt direkt von der RSG, die andere Hälfte kommt u.a. aus Berlin und Nordrhein-Westfalen - fast ausnahmslos körperliche Behinderungen.
Bleibt nur noch die Frage zu klären: Wie hat es den Teilnehmern gefallen? „Ich spiele bei der RSG Basketball, schwimme auch. Dieser Selbstverteidigungskurs hilft mir weiter, man weiß ja nie, in welche Situationen man so kommt“, sagt der 14-jährige Justin. Die gleichaltrige Johanna ist sogar eine „Wiederholungstäterin“. „Ich war vor zwei Jahren schon mal hier. Es macht Spaß, ich habe wieder etwas Neues gelernt und besitze nun mehr Selbstvertrauen.“ Genau das will die RSG Langenhagen erreichen. Und die erneuten Videointerviews aller Teilnehmer zum Abschluss sprechen genau diese Sprache.
Die RSG Langenhagen dankt den Förderern der STIFTUNG Sparda-Bank Hannover, Heiner-Rust-Stiftung und Stiftung Edelhof Ricklingen sehr herzlich für die Unterstützung.
Autor: Stephan Hartung, Foto: Maike Lobback